Entstehungsgeschichte
Schon ab dem 14. Jahrhundert gibt es schriftliche Berichte über mindestens zwei Orgeln im Hildesheimer Dom: die Hauptorgel und eine sog. Kleine Orgel. Diese Orgeln wurden dem jeweiligen Zeitgeschmack entsprechend durch bedeutende Orgelbauer wie z. B. Matthias Naumann aus Hildesheim (ein Meistergeselle Arp Schnitgers) im Barock und Furtwängler & Hammer aus Hannover zu Beginn des 20. Jahrhunderts umgebaut oder erneuert.
Nach dem zweiten Weltkrieg besaß der Dom nur noch ein Orgelwerk auf der neugebauten Westempore. Diese Orgel wurde von Franz Breil aus Dorsten im Jahr 1960 gebaut und war die erste kath. Domorgel mit rein mechanischer Spieltraktur in Deutschland. Den Prospekt entwarf der Hannoveraner Architekt Heinz Wolff, die neobarocke Disposition wurde von Rudolf Reuter aus Münster zusammengestellt. Im Jahr 1989 baute auf Initiative des damaligen Domorganisten Fritz Soddemann die Bonner Werkstatt Klais diese Orgel hinter dem alten Prospekt technisch komplett um und erweiterte die Disposition um ein Schwellwerk. Dieser Zustand bestand bis zum Jahr 2010.
Die Entscheidung des Hildesheimer Domkapitels im Rahmen der Domsanierung die alte Orgelempore abreißen zu lassen hatte zur Folge, dass die Chöre des Doms nun einen anderen Platz zum Singen bekommen haben, an dem auch eine Chororgel zur Begleitung stehen sollte. Die Hauptorgel bekam ihren Platz an alter Stelle, allerdings etwas nach hinten versetzt und ohne eine ausladende Sängerempore davor. Beide Orgelwerke wurden bei der Werkstatt Seifert aus Kevelaer in Auftrag gegeben und in Absprache mit dem beauftragten Orgelbauer vom Architekturbüro Schilling aus Köln gestaltet und geplant.
Die heutige Disposition beider Orgeln entwarfen die Dommusiker. Während die Chororgel eine kompletter Neubau ist, sind in der Hauptorgel viele Teile der Orgeln von Breil und Klais wiederverwendet worden: darunter 58 Register, fast alle alten Windladen und das Chassis des Hauptspieltisches. Die Chororgel stellt alle Klangfarben für eine tragfähige, romantisch orientierte Chorbegleitung zur Verfügung, die Hauptorgel basiert in ihrem Klangkonzept auf der Orgel von Klais, wurde aber im Bereich der Prinzipalstimmen, der Bassregister und der solistischen Stimmen erneuert bzw. ergänzt. Die Klangfarben im Schwellwerk der Chororgel können in Verbindung mit der Hauptorgel auch als eine Art Fernwerk verwendet werden. Die gesamte Orgelanlage ist von zwei identischen 4-manualigen Spieltischen aus anspielbar. Der Hauptspieltisch oben mit mechanischer Spieltraktur, der Generalspieltisch im Kirchenschiff rein elektrisch. Die Steuerung funktioniert über ein BUS-System.
Jahreszahlen und Ereignisse
um 1360 | Erste schriftliche Berichte über Orgeln im Hildesheimer Dom (Hauptorgel, sog. Kleine Orgel, Orgel der Krypta) |
verm. im 14. Jdh. | Ersatz der Hauptorgel durch unbekannten Orgelbauer |
1571 | Bau einer neuen Hauptorgel durch Cornelius und Michael Slegel |
1616/17 | Neubau der Hauptorgel durch Henning Henke, von Conrad Abtt vollendet (III+angeh. Ped./38 Register) |
1682/83 | Umbau der Hauptorgel durch Tobias Bader II. Reduzierung auf zwei Manuale und Einbau eines selbständigen 16‘-Pedalwerkes (II+Ped./32 Register) |
1703 – 1706 | Neubau durch Matthias Naumann (III+Ped./41 Register) |
1713 | Verkauf der Kleinen Orgel nach Steinbrück |
1744 | Umsetzung einer Orgel von Johann Georg Müller aus St. Godehard in die Krypta des Doms als Ersatz für das abgängige Regal (I+angeh. Ped./8 Register) |
1862 | Neubau einer Orgel für die Krypta durch August Schaper (I+Ped./8 Register) |
1909 | Bau einer neuen Hauptorgel durch Furtwängler & Hammer hinter dem alten Prospekt (III+Ped./54 Register) |
1930 | Verkauf der Kryptaorgel an die Gemeinde St. Josef in Hildesheim |
1945 | Vernichtung der Hauptorgel durch Bombentreffer am 22. März |
1960 | Bau einer neuen Hauptorgel durch Orgelbau Breil (IV+Ped./52) |
1981 | Nutzung einer Truhenorgel von Orgelbau Hillebrand in der Krypta (I/4 Register) |
1989 | Umbau und Erweiterung (u.a. Einbau eines Schwellwerks) der Hauptorgel durch Orgelbau Klais hinter dem alten Prospekt (IV+Ped./66 Register) |
2010 | Umsetzung der Truhenorgel aus der Krypta in die Kapelle des Bischöflichen Generalvikariates |
2010 | Ausbau und Einlagerung der Hauptorgel |
2013/14 | Umbau und Erweiterung der Hauptorgel und Neubau einer Chororgel durch Orgelbau Seifert (IV+Ped./77 und II+Ped./16) |
2015 | Der Dom verfügt über eine fünfregistrige Truhenorgel der Firma Fay (Braunschweig), die konzertant als Continuoinstrument und an den Sonntagen als Begleitinstrument in der Krypta (Vesper) genutzt wird. |