Das Architektur-Konzept des Hildesheimer Doms
Das Konzept für die anspruchsvolle, viereinhalbjährige umfassende Sanierung und Modernisierung des UNESCO-Welterbes Hildesheimer Dom im Überblick.
Nach Ausschreibung und Wettbewerb für das Großprojekt entschied sich der Bauträger – das Hildesheimer Domkapitel – für das renommierte Architektenbüro Schilling Architekten aus Köln. Das Architekturkonzept von Schilling Architekten für den Hildesheimer Dom ruht auf drei Säulen: „Den Raum klären“, „Die Liturgie ordnen“, „Die Dinge sichtbar machen“ hat Johannes Schilling sie überschrieben.
Den Raum klären
„Den Raum klären“ bedeutet, den Hildesheimer Dom mit seiner charakteristischen Struktur erfahrbar zu machen. Vor allem die romanische Grundstruktur ist nun wieder besser zu erkennen. Dominante nachträgliche Einbauten wie die Orgelempore und die Treppenanlage im nördlichen Querhaus wurden entfernt. Die ehemals überbreite Altartreppe ist nun deutlich schmaler, die Zugänge zur Krypta wurden freigelegt. „Damit wurde die Beziehung zwischen Krypta, Langhaus und Vierung in den ursprünglichen Zustand und ein besseres Gleichgewicht gebracht“, erklärt Schilling. Eine erheblich veränderte Raumwirkung wurde durch die Absenkung des Fußbodens auf das ursprüngliche Niveau erzielt; der Boden war beim Wiederaufbau in den 1950er-Jahren um 30 Zentimeter/über einen halben Meter angehoben worden, was den Dom gedrungen wirken ließ. Nahtlos integriert sind die gotischen Seitenkapellen mit ihren Kreuzgratgewölben.
Die Liturgie ordnen
„Die Liturgie ordnen“ war für Johannes Schilling der wichtigste der drei Grundsätze bei der Neuordnung des Doms: „Hier ging es darum, die Dinge gemäß ihrer liturgischen Funktion und Bedeutung wieder in eine sinnvolle Beziehung zueinander zu setzen.“ So wurden entlang der herausragenden Ausstattungsgegenstände und der zentralen Orte des Gottesdienstes liturgische Achsen geschaffen, die mit dem Kirchenbau und seiner Raumwirkung korrespondieren: Von Westen nach Osten erstreckt sich die Hauptachse von der Bernwardtür und der Hauptorgel über das Taufbecken und den Heziloleuchter – wieder an seinem jahrhundertelang angestammten Platz – im Mittelschiff, zum Altarraum mit dem Altar (Ort der Eucharistie) und Ambo (Lesepult, Ort der Verkündigung), dem Thietmarleuchter und der Irmensäule mit dem Kreuz. So führt der Weg von der Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen, die auf der Bernwardtür erzählt wird, über den Altar, an dem sich die Erneuerung des Bundes zwischen Gott und Mensch in jedem Gottesdienst vollzieht, bis zum Sinnbild des Kreuzes, das für das größte Opfer und die vollkommene Befreiung und Erlösung des Menschen durch diesen Akt, die Hingabe von Gottes Sohn für die Menschheit, steht.
Eine zunächst unsichtbare Achse verläuft darunter mit der Krypta, in der sich das Gründungsreliquiar des Bistums Hildesheim befindet, das Gnadenbild mit der Muttergottes, der Godehardschrein und die Bischofsgrablege mit den Grabnischen der verstorbenen Hildesheimer Bischöfe Dr. Josef Homeyer (ab November 2014), Heinrich Maria Janssen (1957 - 1982) und Joseph Godehard (1934 - 1956). Im Zentrum der Krypta befinden sich – nicht sichtbar – die im Zuge von archäologischen Ausgrabungsarbeiten während der Sanierung gefundenen Gräber der Bischöfe Ebo (845–851) und Berthold (1119–1130). Der näher zur Gemeinde gerückte Altar befindet sich genau über dem Godehardschrein in der Krypta.
Die Dinge sichtbar machen
„Die Dinge sichtbar machen“: Dabei geht es vor allem darum, den sakralen Raum „in seiner Gesamtheit und in seinen Details möglichst authentisch sichtbar werden zu lassen“, fasst Schilling das Konzept zusammen. Notwendige bauliche Eingriffe und Erneuerungen sollten architektonisch mit hohem Anspruch und „in ihrem formalen Ausdruck eher zurückhaltend, homogen, integrativ und zeitlos gestaltet werden“. Dazu gehören die Raumoberflächen wie der neue Fußboden, der Wand- und Deckenverputz, die Rekonstruktion der historischen Säulenbasen und größere Herausforderungen wie die Positionierung der Bernwardtür und die neue Grablege der Bischöfe sowie die Gestaltung des gesamten Innenraums, die auch die Positionierung der großen Kunstschätze und die Platzierung der neuen Orgeln umfasst.
Über allem stand das Ziel, den Dom heller und lichtvoller zu machen, um seine Schönheit und Einzigartigkeit wieder zur Geltung zu bringen. Vor allem sollte der Kirchenraum, der zum Welterbe der Menschheit gehört, wieder als ein einmaliges Zeugnis der Geschichte des Bistums Hildesheim erlebbar werden – von seiner Gründung im Jahr 815 über viele wechselvolle Zeiten bis heute.
Für das Team des Architektenbüros Johannes Schilling war die Arbeit am Hildesheimer Dom wegen ihrer vielen hochkarätigen Arbeiten etwas Besonderes. Johannes Schilling fasst es auf fast poetische Weise zusammen: „Sich bewegen, wachsen, sehen, hören, riechen, begreifen, fühlen, sprechen, verstehen, denken, empfinden, erfinden: Kunst verändert unsere Welt, indem sie uns verändert.“ So, wie der Hildesheimer Dom seit 1200 Jahren Generationen von Menschen verändert hat und weiterhin verändern und prägen wird.