Der Altar von Ulrich Rückriem
Der moderne Hauptaltar für den sanierten Hildesheimer Dom wurde von dem weltweit anerkannten Bildhauer Ulrich Rückriem geschaffen.
120 Millionen Jahre alt ist der Stein, aus dem der neue Tisch des Herrn im Hildesheimer Dom besteht. Er stammt aus einem Steinbruch zwischen Anröchte und Soest und entstand aus Muscheln und Sand, als sich dort vor Jahrmillionen von Jahren das Meer zurückzog und sich mit der Zeit eine Steinlandschaft bildete. Der Anröchter Dolomit gilt wegen seiner Beschaffenheit als weltweit einmalig. Rückriem, der in London und Köln lebt, nutzt das Material aus diesem Steinbruch bereits seit Jahrzehnten für seine oft monumentalen Werke.
Der Hildesheimer Altar schimmert in zartem Grün – dem Farbton, den die ältesten Schichten des Kalksteins haben. Der Altar hat eine Höhe von 90 Zentimetern, die Fläche beträgt 1,90 Meter (Breite) mal 1,10 Meter (Tiefe). Er besteht aus drei Teilen, die aus dem gewaltigen Block herausgeschnitten und dann wieder zusammengefügt wurden – Rückriems charakteristische Arbeitsweise. Allein die Deckplatte wiegt 2,5 Tonnen.
Der zentrale Ort im Gottesdienst
Der Hauptalter ist der zentrale Ort im Gottesdienst. Hier vollzieht sich gemäß dem katholischen Glauben die Verwandlung von Brot (Hostie) und Wein in den Leib und das Blut Christi. Mit diesem Akt der Wandlung erinnert die Gemeinde an das Letzte Abendmahl, das Jesus Christus vor der Kreuzigung mit seinen Jüngern hielt. Dabei trug er ihnen auf, im Gedenken an ihn, dieses Mahl immer wieder zu feiern, um den Bund zwischen ihm und ihnen – beziehungsweise ihm und der Menschheit – präsent zu halten und immer wieder zu bekräftigen. In Hostie und Wein ist Christus der Überzeugung gemäß tatsächlich gegenwärtig.
Ulrich Rückriem hat die Innenseiten der Altarfüße vergoldet – seine Hommage an die frühere Tradition, einen Reliquienschrein unter der Altarplatte zu platzieren. Der Hildesheimer Rückriem-Altar entstand durch sieben Schnitte – zwei horizontale und fünf Vertikale – sowie durch eine Spaltung, horizontal in der Mitte. Der Stein blieb naturbelassen. Auf diese Weise bewahrt der Bildhauer den ursprünglichen Charakter des uralten Steins und drückt ihm doch seine eigene Handschrift auf.
Für Rückriem gibt es einen unauflösbaren Zusammenhang zwischen der Skulptur, die er erschaffen hat, und dem Ort, an dem diese steht: „Erst der Ort gibt der Skulptur die Bedeutung und macht aus einem steinernen Tisch, wie er überall stehen könnte, einen Altar, der unverrückbar steht und an dem sich Heiliges vollzieht.“
Zeitgenössische Kunst unterstützt mittelalterliche Schätze
Beim Aufbau des Altars während der Domsanierung sagte der damalige Generalvikar und Prälat Dr. Werner Schreer: „Wir haben uns bewusst für Ulrich Rückriem entschieden. Die mittelalterlichen Schätze wie die Bernwardtür, die Christussäule oder der Heziloleuchter sollen durch zeitgenössische sakrale Kunst ergänzt werden. Kunst ist immer auch ein Ausdruck von Religion. Und weil das heute sehr viel schlichter und reduzierter ist als in früheren Zeiten, passt der Altar hervorragend in den neu gestalteten Dom.”
Im Zuge der Sanierung wurde der Altar näher zur Gemeinde hin errichtet. Er befindet sich nun genau über dem Godehardschrein, der in der unter dem Chorraum liegenden Krypta. Auch daran erinnern die Vergoldungen Rückriems an den Innenseiten der Altarsockel.
Der Altar wurde durch den Münchener Verein „Ausstellungshaus für christliche Kunst e.V.“ mit 30.000 Euro gefördert.